ESG-Scoring rückt in den Fokus

Im Zusammenhang mit dem Aussetzen der CSRD-Umwandlung in deutsches Recht erreichte uns die Frage, ob das ESG-Scoring und damit das Ausfüllen der ESG-Fragbögen obsolet werden würde. Die klare Antwort lautet: Nein, auf keinen Fall. Die Bewertung des ESG-Status-quo von kreditnehmenden Unternehmen und Institutionen rückt angesichts zunehmender Extremwetterereignisse sogar weiter in den Fokus. So lautet zumindest die Einschätzung der Bankenaufsicht BaFin, die den physischen umweltbezogenen Risiken in ihrem Ausblick auf die Risikothemen 2025 einen hohen Stellenwert beimisst.

„Wir bei der BaFin legen 2025 darauf einen besonderen Schwerpunkt [Anm.: auf physische Risiken]. Denn der Klimawandel schreitet voran. Laut dem EU-Erdbeobachtungs-Programm Copernicus lag die weltweite Durchschnittstemperatur 2024 zum ersten Mal um mehr als 1,5 Grad über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters. Die physischen Risiken steigen weiter. Und sie werden sich in den Kreditportfolios der Banken oder in den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen.“ So ließ es die BaFin auf ihrer Jahresauftakt Pressekonferenz „Risiken im Fokus“ verlautbaren und ergänzte: „Die Unternehmen haben im Management ihrer Nachhaltigkeitsrisiken grundsätzlich Fortschritte gemacht. Aber es gibt noch Verbesserungspotenzial.

Zum Beispiel, wenn es darum geht, Daten zu physischen Klimarisiken zu integrieren und zu verarbeiten. Das ist wichtig, um einzelne Naturgefahren bewerten zu können. Dafür müssen Banken und Versicherer auf mehrere Informationsquellen zurückgreifen. Wir haben festgestellt: Vielen Unternehmen fehlen wichtige Daten. Bei den Banken sind es häufig kundenbezogene Standortdaten kombiniert mit einer adressgenauen Zuordnung der physischen Gefahren, die dort bestehen. Also zum Beispiel zu möglichen Überschwemmungen durch Starkregen.“

Aufbau der Datenbank mittels ESG-Fragebögen bei der BIB

Aktuell ist es leider immer noch so, dass das automatische Scoring basierend auf der genossenschaftlichen Gesamtlösung, keine adressgenaue Zuordnung der physischen Gefahren zulässt. Nach wie vor wird die Postleitzahl als Informationsquelle herangezogen. Des Weiteren gilt zu berücksichtigen, wie physische Risiken versichert sind und wo überhaupt die tatsächlichen (Ausfall-) Risiken stattfinden. Um all diese Faktoren zu berücksichtigen, ist es leider immer noch notwendig, dass Kunden die ESG-Fragebögen an ihre Bank senden. Nur so ist ein passenderes Scoring möglich. Und nur so können die geforderten Informations- und Datenspeicher mit realistischen Vergleichsdaten befüllt werden.

Bei der BIB haben wir Ende 2024 erstmals die ESG-Fragebögen versendet, seit Dezember 2024 erhalten wir die ersten Rückläufer. Bei gut ausgefüllten Bögen ergab die Individualisierung eine Verbesserung der Scoringwerte.

Zur Erinnerung: Das ESG-Scoring klassifiziert Unternehmen von A (geringes Risiko) bis E (sehr hohes Risiko). Der mittels automatisiertem Scoring errechnete Durchschnittswert innerhalb des Genossenschaftsverbundes liegt bei Scoringklasse C, was einem Punktespektrum zwischen 59-40 entspricht. Durch das Ausfüllen der Bögen lässt sich in den meisten Fällen eine Verbesserung der Punktzahl innerhalb einer Scoreklasse erzielen, in Einzelfällen sogar der Sprung in eine bessere (niedrigere) Scoreklasse.

Zwar hat dieses Scoring aktuell noch keine tatsächlichen Auswirkungen. Die Ausführungen der BaFin zeigen aber einmal mehr, dass die Berücksichtigung physischer und transitorischer Umweltrisiken an aufsichtsrechtlicher Relevanz gewinnen wird.

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