Im Zusammenhang mit dem Aussetzen der CSRD-Umwandlung in deutsches Recht erreichte uns die Frage, ob das ESG-Scoring und damit das Ausfüllen der ESG-Fragbögen obsolet werden würde. Die klare Antwort lautet: Nein, auf keinen Fall. Die Bewertung des ESG-Status-quo von kreditnehmenden Unternehmen und Institutionen rückt angesichts zunehmender Extremwetterereignisse sogar weiter in den Fokus. So lautet zumindest die Einschätzung der Bankenaufsicht BaFin, die den physischen umweltbezogenen Risiken in ihrem Ausblick auf die Risikothemen 2025 einen hohen Stellenwert beimisst.
Liebe BIB-Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner, lieber BIB-Freundeskreis,
die Hängepartie bei CSRD und Taxonomie und die damit verbundene Unsicherheit beschäftigen uns auch weiterhin. An Ankündigungen, Kommunikation (z. B. der Competitiveness Compass der EU) und Positionspapieren (z. B. vom Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. ) mangelt es weiterhin nicht. Wohl aber an konkreten oder zumindest richtungsweisenden Vorschlägen. Mit solchen ist wohl frühestens am 26. Februar 2025 zu rechnen. Dann nämlich soll der erste Entwurf für das sogenannte Omnibusverfahren, also die Konsolidierung von Berichtspflichten nach CSRD, CSDDD und Taxonomie, vorgelegt werden. Wir sind sehr gespannt und werden im März-Newsletter darüber berichten.
Bis dahin widmen wir uns auch wieder anderen Themen – schließlich dreht sich das ESG-Rad auch ohne deutsche CSRD-Umsetzung weiter. Die mit dem Klimawandel verbundenen Auswirkungen auf die (Finanz-) Wirtschaft sind so offenkundig und real, dass auch die BaFin dem Thema auf ihrer „Neujahrsansprache“ viel Raum zusprach, wie Sie weiter unten lesen können. Und auch bei vielen Kunden gehört das Thema Nachhaltigkeit längst zum „daily Business“ – mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. Das zumindest legt eine kleine Studie der Wirtschaftsprüfung und Beratung CURACON nahe, zu der wir ebenfalls weiter unten verlinken.
Wir wünschen Ihnen wieder viel Spaß beim Lesen des aktuellen Newsletters und freuen uns auf einen regen Austausch mit Ihnen.
Herzlichst
Ihr BIB-Team
„Wir bei der BaFin legen 2025 darauf einen besonderen Schwerpunkt [Anm.: auf physische Risiken]. Denn der Klimawandel schreitet voran. Laut dem EU-Erdbeobachtungs-Programm Copernicus lag die weltweite Durchschnittstemperatur 2024 zum ersten Mal um mehr als 1,5 Grad über dem Niveau des vorindustriellen Zeitalters. Die physischen Risiken steigen weiter. Und sie werden sich in den Kreditportfolios der Banken oder in den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen.“ So ließ es die BaFin auf ihrer Jahresauftakt Pressekonferenz „Risiken im Fokus“ verlautbaren und ergänzte: „Die Unternehmen haben im Management ihrer Nachhaltigkeitsrisiken grundsätzlich Fortschritte gemacht. Aber es gibt noch Verbesserungspotenzial.
Zum Beispiel, wenn es darum geht, Daten zu physischen Klimarisiken zu integrieren und zu verarbeiten. Das ist wichtig, um einzelne Naturgefahren bewerten zu können. Dafür müssen Banken und Versicherer auf mehrere Informationsquellen zurückgreifen. Wir haben festgestellt: Vielen Unternehmen fehlen wichtige Daten. Bei den Banken sind es häufig kundenbezogene Standortdaten kombiniert mit einer adressgenauen Zuordnung der physischen Gefahren, die dort bestehen. Also zum Beispiel zu möglichen Überschwemmungen durch Starkregen.“
Aufbau der Datenbank mittels ESG-Fragebögen bei der BIB
Aktuell ist es leider immer noch so, dass das automatische Scoring basierend auf der genossenschaftlichen Gesamtlösung, keine adressgenaue Zuordnung der physischen Gefahren zulässt. Nach wie vor wird die Postleitzahl als Informationsquelle herangezogen. Des Weiteren gilt zu berücksichtigen, wie physische Risiken versichert sind und wo überhaupt die tatsächlichen (Ausfall-) Risiken stattfinden. Um all diese Faktoren zu berücksichtigen, ist es leider immer noch notwendig, dass Kunden die ESG-Fragebögen an ihre Bank senden. Nur so ist ein passenderes Scoring möglich. Und nur so können die geforderten Informations- und Datenspeicher mit realistischen Vergleichsdaten befüllt werden.
Bei der BIB haben wir Ende 2024 erstmals die ESG-Fragebögen versendet, seit Dezember 2024 erhalten wir die ersten Rückläufer. Bei gut ausgefüllten Bögen ergab die Individualisierung eine Verbesserung der Scoringwerte.
Zur Erinnerung: Das ESG-Scoring klassifiziert Unternehmen von A (geringes Risiko) bis E (sehr hohes Risiko). Der mittels automatisiertem Scoring errechnete Durchschnittswert innerhalb des Genossenschaftsverbundes liegt bei Scoringklasse C, was einem Punktespektrum zwischen 59-40 entspricht. Durch das Ausfüllen der Bögen lässt sich in den meisten Fällen eine Verbesserung der Punktzahl innerhalb einer Scoreklasse erzielen, in Einzelfällen sogar der Sprung in eine bessere (niedrigere) Scoreklasse.
Zwar hat dieses Scoring aktuell noch keine tatsächlichen Auswirkungen. Die Ausführungen der BaFin zeigen aber einmal mehr, dass die Berücksichtigung physischer und transitorischer Umweltrisiken an aufsichtsrechtlicher Relevanz gewinnen wird.
Trotz kleiner Kohorte sind die Ergebnisse der Studie zum „Status quo der Nachhaltigkeitsstrategien in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft“, die der Wirtschaftsprüfer CURACON Anfang des Jahres veröffentlichte, interessant und verallgemeinerbar. Knapp 70 Prozent der 115 StudienteilnehmerInnen gaben an, noch keine Nachhaltigkeitsstrategie zu haben, lediglich 11 Prozent erstellen bereits einen Bericht, über 60 Prozent planten dies aber. Als größtes Hindernis bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen sahen die Befragten die fehlenden personellen Ressourcen, gefolgt von den fehlenden Möglichkeiten zur Refinanzierung und finanziellen Mitteln. Allgemeiner Tenor der Studie: Nachhaltigkeit beschäftigt die Branche und spielt eine wichtige Rolle – unter anderem getrieben von den Anforderungen der Banken. Jedoch mangelt es an Mitteln zur strategischen Umsetzung
Hier finden Sie die gesamte Studie.
Unternehmen, die 2025 eigentlich berichtspflichtig geworden wären und nun nicht wissen, ob und wie sie mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung weitermachen sollen, sei geraten: Jetzt bloß nicht aufgeben! Auch, wenn die CSRD erst einmal auf Eis gelegt wurde, ist es richtig und wichtig, das Thema Berichterstattung weiter zu verfolgen.
In welche Richtung Unternehmen dabei steuern sollten, ergibt sich zum Beispiel aus den abgespeckten Anforderungen, die von den ESRS Standardsetzern – der EFRAG – für KMU entwickelt wurden. Die sogenannten Volunatary Standard for non-listed and medium sized undertakings (VSME) bieten eine sinnvolle Alternative, da sie zwar weniger komplex, aber nach einem ähnlichen Prinzip aufgebaut sind. Gleiches gilt für den LSME, den Standard, der für kapitalmarktorientierte KMU entwickelt wurde, die nach aktuellem Zeitplan ab 2026 in 2027 berichtpflichtig wären.
Beide Standards sind aktuell in der offiziellen Version nur auf Englisch verfügbar:
LSME: ESRS LSME (ESRS for Listed SMEs), Exposure draft consultation | EFRAG
VSME: Voluntary reporting standard for SMEs (VSME), Concluded | EFRAG
Eine inoffizielle Übersetzung des VSME gibt es hier.
Einen guten Einstieg ist das Thema – ob freiwillig oder verpflichtend – bietet der Deutsche Nachhaltigkeitskodex. Die Website wurde ganz aktuell auf die neuen Standards umgestellt, zu denen es begleitend viele Zusatzinformationen und Checklisten gibt: www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de
Wer am Anfang des Nachhaltigkeitsprozesses steht und sich mit den Grundlagen vertraut machen möchte, dem sei das Buch „Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft“ empfohlen, das bei Springer Nature 2021 erschienen ist. Der Autor stellt die wesentlichen Nachhaltigkeitskonzepte vor und beschreibt wichtige internationale Standards und Initiativen. Im letzten Teil widmet er sich den Besonderheiten sozialwirtschaftlicher Organisationen und geht auf deren Bedürfnisse ein.
Welche Auswirkungen Extremhitze auf das Gesundheitssystem und Krankenhäuser hat, nahm das Deutsche Krankenhausinstitut gemeinsam mit der TK unter die Lupe. Ergebnis: „Hitzebedingte Gesundheitsrisiken werden in Zukunft ansteigen. Dazu zählen beispielsweise die negativen und zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen von Hitze auf Herz-, Nieren- und Lungenerkrankungen. Darüber hinaus sind Krankenhäuser von weiteren Folgen extremer Hitze betroffen, wie z. B. der Zunahme von Unfällen und der veränderten Wirkung von Medikamenten.“ Der „Klinikreport Nachhaltigkeit – Schwerpunkt Hitzeschutz“ zeigt aber auch sinnvolle Maßnahmen auf, wie sich Kliniken für die Herausforderungen wappnen können. Abrufbar ist der Report hier: Neue Ausgabe Klinikreport Nachhaltigkeit +++ IMPULS KOMPAKT zum Thema Hitzeschutz | DKI